Foto von Claus  
   

Fortschritts-Skeptiker    "Maschinenmenschen"
 
(Göttinger Tageblatt, 11./12. November 1989)
 
Der menschenähnliche Roboter als unbeseelter, mechanisch- elektrischer Sklave des Menschen im "Goldenen Zeitalter"- eine Vision der noch jungen industrialisierten und technifizierten Gesellschaft, die längst von der Realität überholt und in Ihr Gegenteil verkehrt ist. Der Mensch ist selbst Sklave der Technik, oft Abhängiger, selten Herr. Ins Bild gesetzte Gedanken zu diesem komplexen und auch mit dogmatischer Verbissenheit konträr diskutierten Thema stellen die Malereien, aquarellierten Stanzprägungen und Objekte Claus Caninenbegs dar, die derzeit im Gasthaus "Muskat" Hauptstraße 62, in Geismar ausgestellt sind.
 
"Maschinenmenschen" lautet der Titel, den der im Hauptberuf als Maschinenbauingenieur tätige Künstler dieser Werkschau gegeben hat und der Ihn als Skeptiker ausweist. Die Fortschritts- und Technikgläubigkeit der Futuristen und Konstruktivisten ist Caninenberg fremd. Die Apotheose der Technik ist hier ein Unterwerfungsfeldzug wider menschliche Bedürfnisse, wider das, was je nach weltanschaulicher Ausrichtung Seele oder Wesenheit oder Psyche heißt. Die Menschen in diesen Bildern sind entweder Opfer der Technik, auf eine Maschine geflochten wie aufs Rad, oder Maschinenmenschen, selbst zum Rädchen im Getriebe geworden, äußeren Gesetzen unterworfen.
 
Für Claus Caninenberg ist das wohl auch eine Frage nach der Reflektionsfähigkeit des einzelnen über seine Existenzsituation. Er stellt sie in schön inszenierten Bildern, deren ästhetische Oberfläche, aller geübten Kritik zum Trotz, die widersprüchliche Faszination des Technoiden widerspiegelt, gleichsam in Form und Farbe transformiert. Caninenberg ist kein Maschinenstürmer. Zu sehr hat in seinen Arbeiten die Maschine schon vom Menschen Besitz ergriffen, als daß ein Leben, eine ganze, Gesellschaft ohne sie vorstellbar wäre. Die Entwicklung, die schon Charlie Chaplin In "Modern Times" so treffend skizziert, ist nicht umkehrbar, Der gangbare Weg ist der einer ethisch- moralischen Umorientierung, in der das Notwendige Vorrang hat vor dem Machbaren um jeden Preis. Denkanstöße hierzu bietet diese Ausstellung in sehenswerter Form dem, der bereit ist, sich auch unbequemen Fragen zu stellen. Eigens für diese Ausstellung hat Caninenberg übrigens eine in limitierter Auflage gedruckte Graphik geschaffen. (Bis Weihnachten), PETER HELLER
 
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